Shortline
20-Liter-Kompakt-TML

Sie erfreut sich in letzter Zeit wieder wachsender Beliebtheit - die Transmissionline, kurz TML.
Die bereits 1965 von Arthur Bailey entdeckte und später näher beschriebene Bauweise bedingte allerdings recht große und aufwendige Gehäuse, weshalb sich dieses interessante Bauprinzip leider nie so recht durchsetzen konnte.
Dennoch halten einige Lautsprecherhersteller bis heute die Fahnen hoch und produzieren inzwischen auch TMLs im Kompaktformat. Das nahm ich zum Anlass, mich dieser Bauform einmal anzunehmen und ein eigenes 2-Wege-Projekt nach Vorlage eines britischen Herstellers aufzubauen.

 

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“Eierlegende Wollmilchsau” - Visatons W 170 S 4 macht auch in der Shortline eine gute Figur

Chassis

Während man in früheren Jahren nur Basschassis mit einem Gütefaktor >0,7 für den Bau von Transmissionlines favorisierte, zeigen neuere Konstruktionen, dass auch Qts-Werte zwischen 0,4 - 0,6 bestens für dieses Bauprinzip geeignet sind.
Da es sich bei der TML nicht um einen Resonator wie bei einem Bassreflexsystem, sondern um eine akustische Umwegleitung handelt, sollte das eingesetzte Chassis für eine effektive Basswiedergabe zusätzlich über eine möglichst tiefe Eigenresonanz verfügen.
Auf meiner Suche nach geeigneten Chassis für dieses Projekt blieb ich mal wieder im Portfolio von Visaton hängen. Der W 170 S 4 erfüllt mit einem Qts von 0,41 und einer Eigenresonanz von 36 Hz die vorgegebenen Eckdaten schon sehr gut. Da es sich noch dazu wie bei der britischen Vorlage um einen 17cm-Tiefmitteltöner handelt, war bei einem derzeitigen Straßenpreis von ca. 40 € die Entscheidung schnell getroffen.
Um bei der Preiswürdigkeit zu bleiben, stöberte ich auch nach einen passenden Hochtöner auf den Seiten von Visaton. Die Wahl fiel schließlich auf eine alte Bekannte, die Gewebekalotte SC 10 N , die preislich z.Zt. bei ca. 20 € liegt und schon in der Swing mehr als zufriedenstellend ihren Dienst versieht.
Auch den W 170 S 4 hatte ich bereits mit Erfolg in der Ciao verbaut, dort jedoch als Bassreflexvariante.
Zu beiden Chassis sind in den jeweiligen Projektbeschreibungen noch weitere Informationen zu finden.
 

Gehäuse

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der TML um eine Umwegleitung. Dabei durchläuft der rückwärtig abgestrahlte Schall des Basschassis ein einseitig offenes Rohr bis zur Öffnung, dadurch kommt es zu einer Verschiebung des akustischen Kurzschlusses zu tiefen Frequenzen hin. Das Ergebnis ist eine deutlich erweiterte Basswiedergabe.
Zur Ausführung des Rohrs, der sogenannten “Line”,  gibt es in der Literatur mittlerweile recht unterschiedliche Auffassungen. Bei der Shortline orientierte ich mich ganz bewusst an den klassischen Vorgaben, der Querschnitt entspricht also der Membranfläche des Tiefmitteltöners und besitzt ein Öffnungsverhältnis von 1:1.
Wie bei der britischen Vorlage sitzt auch der W 170 S 4 direkt am Anfang der Line, eine Resonanzkammer o.ä. gibt es nicht.
Das Gehäuse selbst hat ein Volumen von 20 Litern und besteht aus sechs MDF-Brettern mit 19 mm Stärke. Sie ergeben Front, Boden, Deckel sowie Rück-und Seitenwände.
Im Inneren verläuft dann die mehrfach gefaltete Line, die aus 10mm starken MDF-Brettchen gebildet wird und eine Gesamtlänge von 150 cm hat.

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Die zusätzlichen Brettchen formen nicht nur den Verlauf der Line, sondern geben dem Gehäuse auch eine optimale Stabilität

Bedämpfung

Das Top-Thema bei einer TML, denn nur mit der richtigen Bedämpfung funktioniert die Line auch so wie sie soll.
In der Regel ist das bei einer Drei-oder Vierwegebox mit entsprechend tief getrenntem Basschassis kein Problem, im Fall der Shortline erfolgt die Wiedergabe des W 170 S 4 jedoch bis in den oberen Mitteltonbereich.
Hier galt es also einen Kompromiss aus erweiterter Basswiedergabe und uneingeschränkter Zweiwegetauglichkeit zu finden, was sich zunächst als recht knifflig erwies. Diverse Abhördurchgänge mit unterschiedlichen Dämpfungsmaterialien in unterschiedlichen Mengen und an unterschiedlichen Positionen der Line führten zu keinem befriedigenden Ergebnis.
Schließlich landete ich bei einer völlig pragmatischen Lösung - ein 36 x 16 cm großer Streifen 40er-Noppenschaum wird innen auf den Boden gelegt und das war´s.
Der Noppenschaum verjüngt zum einen den Querschnitt der Line im Endbereich, zum anderen wird die Fließgeschwindigkeit der Luft etwas herabgesetzt, so dass der Kanal virtuell verlängert wird. Das führt zu einer etwas tieferen Basswiedergabe, als es ohne Bedämpfung der Fall wäre und unterdrückt gleichzeitig unerwünschte Schallanteile aus der Line.

Bedämpfung

Pragmatische und zugleich funktionable Lösung: ein Streifen 40er-Noppenschaum auf der “Zielgeraden”

Frequenzweiche

Die Frequenzweiche stellte sich zunächst als sehr einfaches Unterfangen dar - beide Zweige werden jeweils mit 12dB voneinander getrennt, ein kleiner Parallelwiderstand modelliert zusätzlich die Flanke des W 170 S 4 - fertig.
Die Trennfrequenz liegt bei den von Visaton für die SC 10 N empfohlenen 3 KHz und die Pegel beider Probanden treffen sich nach Beschaltung bei etwa 85 dB auf Augenhöhe, so dass eine Hochtonabsenkung nicht erforderlich ist.

Die weiteren Messungen offenbarten dann allerdings im Bereich zwischen 250 - 450 Hz eine fiese 6dB-Überhöhung, die sich auch klanglich entsprechend negativ bemerkbar machte und schließlich mit einem Saugkreis geglättet wurde.
Diese Maßnahme führt zu einem insgesamt sehr ausgewogenen Frequenzgang, zieht allerdings die Impedanz im betreffenden Bereich von 3,2 auf 2 Ohm herunter, so dass ein laststabiler Verstärker zum Betrieb der Shortline ausdrücklich empfohlen ist.
Wer keine entsprechende Elektronik zur Verfügung hat, könnte durch eigene Messungen versuchen die Überhöhung mit einem impedanzneutralen Sperrkreis zu bekämpfen oder die Bauteilwerte des Saugkreises anders zu dimensionieren.

Die Frequenzweiche besteht aus Standardbauteilen, die ich noch in meinem Fundus hatte.
Für ca. 30 € pro Box sollte aber auch nach den aktuellen Preiserhöhungen ein Neukauf der sieben Bauteile möglich sein.

Messungen

Die Messungen erfolgten aus 1 Meter Entfernung und sind nicht pegelkalibriert.

Frequenzgang axial mit Raum:

Gesamt_Achse_mit Raum_unsmoothed1

Frequenzgang 0 - 60° ohne Raum:

Burst Decay:

Burst Decay

Zweige axial mit Raum geglättet:

Achse_Zweige_mit Raum2
0-60°_ohne Raum1
Impedanz1

Impedanz und elektrische Phase:

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