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Das Tweeter-on-top-Design verbessert das Abstrahlverhalten des Hochtöners und homogenisiert den Übergang zum Tiefmitteltöner.
Links: Auf die Rückwand geschraubte Wandhalter aus dem Baumarkt geben einen sicheren Stand und das Klangbild wirkt noch etwas differenzierter.

Chassis

Fertiggehäuse plus Schallwand - das klingt zunächst nach einer leichten Übung, aber ganz so einfach war es dann doch nicht...

Das kleine IKEA-Variera bietet nur knapp 4 Liter Rauminhalt, ist ultraleicht und an den resonanzbehafteten 6 mm-Wänden hätte jeder Instrumentenbauer seine helle Freude. Für Freunde der gepflegten Lautsprecherwiedergabe geht hier jedoch ohne zusätzliche Masse und entsprechende Dämmungs- und Stabilisierungsmaßnahmen leider gar nichts. Abzüglich aller Einbauten verbleiben noch knapp 3,5 Liter Nettovolumen, das ist für eine saubere Basswiedergabe deutlich unter 100 Hz nicht eben viel und so war die Auswahl geeigneter Chassis schon recht stark eingeschränkt.

Um das Maß voll zu machen, wollte ich nach den positiven Erfahrungen mit der "ALmotion" wieder einen Alu-Tiefmitteltöner und einen AMT zum Einsatz bringen. Bei dem AMT hatte ich mich auch schon in ein bestimmtes Modell verguckt, denn er sollte zugunsten eines besseren Abstrahlverhaltens als Aufsatzhochtöner montiert werden - hier diente mir das "Tweeter-on-top-Design" eines bekannten britischen Lautsprecherherstellers als Konzeptvorlage.

Alles in allem also erschwerte Bedingungen, aber nicht unmöglich, denn ich wurde bei Intertechnik fündig, die den bereits bewährten und sehr universell einsetzbaren Alu-Breitbänder Dayton RS 100-4 im Sortiment führen. Trotz seiner relativ hohen Freiluft-Resonanz, dafür aber mit 4 mm Hubfähigkeit und günstigen Parametern gesegnet, verspricht er in diesem Fall bei entsprechender Bassreflexabstimmung eine untere Grenzfrequenz von 55 Hz und spielt dabei noch ausreichend hoch hinauf, um ihn mit dem ausgewählten AMT zu verbandeln.

Der nach dem Air-Motion-Prinzip von Oskar Heil arbeitende Hochtöner stammt ebenfalls von Intertechnik / Dayton-Audio, hört auf den Namen "Mini 8" und übernimmt den Frequenzbereich oberhalb 5 KHz. Die kleine 40mm-Pille befindet sich noch nicht allzu lange im Programm des taiwanesischen Herstellers, wurde aber schon erfolgreich im Car-Hifi-Bereich verbaut und stellt für dieses Antriebskonzept in puncto Miniaturisierung sicherlich das derzeit Machbare dar. Bis auf eine schmalbandige Störung im Amplitudengang des Mini-8, wurden beide Chassis in Einzeltests der Zeitschrift HobbyHifi (Ausgaben 3/2012 und 4/2015) positiv bewertet.

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Links der RS 100-4, rechts der AMT Mini-8 mit einer 1-Euro-Münze zum Größenvergleich. Deutlich erkennbar sind die Lamellen des Heil`schen Funktionsprinzips

Gehäuse

Den Vorgaben entsprechend, besteht das Gehäuse aus dem IKEA "Variera" (kleine Variante), bei der vorgesetzten Schallwand habe ich mich für 16mm-MDF entschieden. Zunächst wurden alle Verleimungen des Variera von innen mit Acryl abgedichtet und der 25 mm-Lochausschnitt für das Reflexrohr in die Rückwand gebohrt. Zur Stabilisierung habe ich eine kleine Matrix aus Holzleisten  angefertigt, die an die Schrägen des Gehäuses angepasst und anschließend mit Montagekleber im Gehäuse befestigt wird.

Die Befestigungsflächen sollten zuvor unbedingt angeschliffen werden, da der Kleber sonst auf den lackierten Flächen keinen Halt findet. Gleiches gilt auch für die spätere Befestigung des Bitumex und der Schallwand, die zuvor eine Einfräsung und eine rückseitige 9x9mm-Hinterfräsung für den RS100-4 erhält, um Kompressionseffekten vorzubeugen.

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Links: Die angefertigte Matrix sorgt für zusätzliche Stabilität. Mitte: Die beiden vorhandenen Bohrungen in der Rückwand des Variera können bequem für die beiden Anschlussbuchsen genutzt werden. Rechts: Als Bassreflexrohr dient ein Isorohr EN25 aus der Elektroinstallation (Innendurchmesser 23 mm) auf 100 mm Länge.

 

Da die Wandstärke des Variera lediglich 6 mm beträgt und das verwendete Holz nur geringes Gewicht aufweist, ist eine zusätzliche Dämmung mit Bitumex FG4 angeraten, das entsprechend der verbleibenden Wandflächen zugeschnitten und aufgeklebt wird. Der kleine AMT wird ohne die beigefügte Befestigungsplatte mittig oben auf die Schallwandkante gesetzt, so dass er mit dieser bündig abschließt, was z.B. durch Kleben oder mit Hilfe eines kleinen Befestigungswinkels erfolgen kann.

Leider schlagen Variera-Gehäuse und Bitumex finanziell zu Buche, so dass bei Verwendung eines stabileren MDF-Gehäuses unter Beibehaltung von Schallwandmaß und Volumen mindestens 10.- € pro Seite eingespart werden könnten. Auf der anderen Seite erhält man mit dem Variera-Gehäuse bereits ein fertiges Finish. Hier sollte also jeder selbst entscheiden, ob er das IKEA-Gehäuse verwenden möchte oder die angegebenen Maße lieber auf ein dickwandigeres MDF-Gehäuse überträgt bzw. umrechnet.

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Die Schallwand erhält den Chassisausschnitt mit rückseitig großzügiger Hinterfräsung für den RS 100-4. Das Bitumex FG4 ist selbstklebend und stellt die dünnen Wände des Variera deutlich ruhiger, das Gehäusegewicht steigt von 600 Gramm auf knapp 1,4 Kilogramm. Den Hochtöner habe ich mit einem passend angefertigten Aluwinkel auf dem Gehäuse befestigt, bei einer internen Weiche werden die beiden Anschlusskabel durch den Gehäusedeckel ins Innere geführt.

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Frequenzweiche

Die Frequenzweiche habe ich auch hier bewusst minimalisiert und preislich auf das Projekt abgestimmt. Da ich sie innerhalb des Gehäuses unterbringen wollte, habe ich bei den Bauteilen auf möglichst kleine Ausführungen zurückgegriffen, was bei den Spulen allerdings zu etwas höheren Widerstandswerten führt. Mit größeren Bauteilen in einer externen Weiche geht das sicherlich noch besser, wird dann aber auch teurer.

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Links: Die Dvärg ist bereit für die ersten Messungen. Die ALmotion (unten rechts) diente bei den späteren Hörproben als Vergleichsnormal.
 Rechts: Die Weiche besteht lediglich aus 6 Bauteilen und kann bei Verwendung kleinerer Baugrößen im Gehäuse untergebracht werden.

Aus den Messungen ergaben sich 18 dB für den RS 100-4 und ein Pegelsenker plus 12 dB für den Mini-8  -  insgesamt also überschaubare 6 Bauteile. Beide Filter generieren in der Summe einen recht ausgewogenen Frequenzgangverlauf mit auf Achse leicht zurückgenommenem Präsenzbereich und Übernahme bei knapp 5 KHz. Die Störung des Mini-8 in Form des schmalen Einbruchs bei etwa 7 KHz bleibt zwar messtechnisch bestehen, stört aber klanglich nicht, sondern sorgt eher dafür, dass zischelnde Sibilanten kein Thema sind.

Auf Grund der niedrigen Bauteilewerte konnten auch bei diesem Projekt konsequent Luftspulen eingesetzt werden.
Die Kondensatorwerte fallen ebenfalls erfreulich klein aus, so dass ich mich im Hochtonzweig wieder für einen MKP Q6 entschieden habe. Der Gesamtpreis der von mir verwendeten Bauteile beträgt entspannte 11,80 €.

Bitte beachten, dass der Hochtöner verpolt angeschlossen wird !

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Das aus den Messungen der unbeschalteten Chassis erstellte BoxSim-Projekt "schiebt" etwas, liegt aber auch hier prinzipiell recht nah an den späteren Messungen und stellt eine stabile Basswiedergabe in Aussicht. Man beachte die exakte Voraussage für den Bereich der Trennfrequenz (siehe Messung Gesamt+ Zweige)!

Bedämpfung

Auch hier kommt zugunsten einer dynamischen Basswiedergabe lediglich eine Matte 30mm-Noppenschaum auf der Rückwand zum Einsatz. Es kann jedoch von Vorteil sein - je nach Aufstellung und persönlichem Geschmack - noch zusätzliches Dämpfungsmaterial seitlich und/oder auf dem Boden einzubringen. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass das Bassreflexrohr frei bleibt, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten.

Der Gesamtpreis des Projekts in der vorgestellten Form unter Verwendung des original IKEA-Variera liegt bei ca. 110.- € pro Box.

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Die Dvårg im Schreibtischeinsatz beim Variera-Desktop-Battle im November 2015. Jeweils ganz außen eine Variera mit Fostex FE 103 im K&T-Look, die mit dem kleinen Röhren-Amp im Nachbarraum besser harmonierte, als an diesem Setup. Perfekter Gastgeber für das gelungene Wochenende war Spectrum-Audio in Bremen

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Eine Meinung vom Variera-Battle zur Dvårg:

" Ein echtes Schätzchen, die Zwergenfamilie aus dem Hause Dayton - RS 100 mit MiniAMT 8.
Der 4 Zöller spielt mit Bassreflexunterstützung und das sehr souverän. Wird erst sehr spät aus dem Rennen genommen, ab 5 kHz übernimmt die Ziehharmonika. Das sorgt für eine exzellente breite homogene Schallabstrahlung. Definitiv auch für weitere Hörentfernung zu gebrauchen. Mein heimlicher Geheimtip."

Messungen  (alle Messungen erfolgten aus 1 Meter Entfernung auf Hochtönerebene)

Frequenzgang auf Achse mit Raum (nicht geglättet)

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Frequenzgang auf Achse ohne Raum (nicht geglättet)

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Winkelfrequenzgänge 0 - 45 ° ohne Raum (nicht geglättet)

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Gesamt und Zweige auf Achse ohne Raum (nicht geglättet)

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Wasserfall

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Impedanz und elektrische Phase:

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Dvårg
3,5-Liter-Bassreflexbox mit Alu-Bass und Air-Motion-Hochtöner



Der kleinste Bauvorschlag beruht auf meinem Beitrag zum "Variera-Desktop-Battle" des DIY-Hifi-Forums im November 2015. Bedingung für die Teilnahme war die ausschließliche Verwendung des kleinen Variera - Gehäuses von IKEA, das um eine Schallwand ergänzt auch als PC-Lautsprecher oder TV-Box einsetzbar sein sollte.

"Dvårg" ist das schwedische Wort für "Zwerg", was ich in diesem Fall als recht passend empfand.
Klanglich sollte "Dvårg" natürlich über sich  hinauswachsen und nicht nur auf dem Schreibtisch, sondern auch in meinem Hörraum bei freier Aufstellung überzeugen...

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