Nach drei Kompaktlautsprechern sollte meine nächste Entwicklung eine Standbox mit mehr Fläche, Dynamik und Wirkungsgrad sein. Dafür kommen grundsätzlich PA-Konzepte - vorzugsweise in Horngehäusen - in Betracht, ich wollte es aber wohnraumtauglich und möglichst einfach gestalten. Auf klassische Hifi-Tugenden wollte ich ebenfalls nicht verzichten und so dienten mir für dieses „Hybrid-Projekt“ die 2-Wege-Standlautsprecher mit Hifi-Bässen und Hornhochtöner einer US-amerikanischen Traditionsschmiede als Konzeptvorlage.

Bei der Flamenco gehört knapp die Hälfte der Schallwandfläche den Chassis

Chassis

Bei der Auswahl der Treiber blieb ich aber in deutschen Landen, denn meine Wahl fiel auf Chassis der Firma Visaton.

Zum einen handelt es sich dabei um über Jahre hinweg nahezu unverändert produziertes und bodenständiges Material zum günstigen Preis, zum anderen wurden von den Haanern mit der Fiesta-Reihe konzeptionell sehr ähnliche Lautsprecherbausätze entwickelt.
Einige dieser Bausätze befinden sich zwar nicht mehr im aktuellen Lieferprogramm, waren aber – ebenso wie der legendäre Monitor 890 - der Beweis dafür, dass mit den Chassis etwas geht.

Natürlich stellte sich auch bei der `Flamenco` der Wunsch nach Fläche und Wirkungsgrad bei gleichzeitig schmalem Gehäuse und möglichst tiefer Grenzfrequenz als klassischer Interessenkonflikt dar. Auch das geplante 2-Wege-Konzept mit einer angepeilten Trennfrequenz von etwa 3 KHz machte die Auswahl geeigneter Basschassis nicht eben leichter.

Mit etwas "Mut zur Lücke" entschied ich mich schließlich für den Klassiker W 200 S im parallelgeschalteten „Doppelpack“ und daher in der 8-Ohm-Version. Bei einem Straßenpreis von derzeit etwa 45 € /Stück, bietet das Chassis trotz breitem Blechkorb eine ordentliche Fläche bei 88 dB Wirkungsgrad und eine solide Verarbeitung mit klangneutraler, resonanzdämpfend beschichteter Papiermembran und stabiler Gummisicke. Die tiefe Freiluftresonanz von 30 Hz bei nur 26 Gramm Membrangewicht und die Hubfähigkeit von 10 mm pro Seite sind weitere Zutaten, die man für ein Power-HiFi-Projekt gern mitnimmt.

Im Hochtonbereich kommt das ebenfalls schon seit vielen Jahren produzierte und in den Bausätzen der MB/H-Reihe sowie der "Fiesta 25" bewährte Hochtonhorn HTH 8.7 zum Einsatz (Test in Klang & Ton1/2000). Der Hornvorsatz unterstützt die Übertragungsfunktion des angeschlossenen Hochtontreibers an die Umgebung und ermöglicht dank „Constant Directivity“ ein weitestgehend gleichmäßiges Abstrahlverhalten, bündelt allerdings auch stärker als ein "normaler" Hochtöner, was hier aber gut zu den beiden Zwanzigern passt.                                                                                                                                                                                     

Der nominelle Kennschalldruck der Horn/Treiberkombination liegt bei 106 dB, die jedoch bei diesem Projekt um etwa 15 dB auf den Pegel der beiden Bässe "eingedampft" werden und so einen tieferen Einsatz als die im Datenblatt empfohlenen 5 KHz ermöglicht.

Der derzeitige Ladenpreis für das HTH 8.7 liegt ebenfalls bei ca. 45 €, so dass sich der Gesamtpreis für das Chassis-Trio einer Box bei etwa 135 € einpendelt - für zwei ordentliche Bässe und einen Performance-Hochtöner ein faires Angebot.

Flamenco
50-Liter-Standlautsprecher mit Hornhochtöner

Chassis_Flamenco

"Gute Hausmannskost" in gewohnter Visaton-Qualität zum günstigen Preis:  links der "Klassiker" W 200 S 8, rechts das Hochtonhorn HTH 8.7

Gehäuse

Um auch im Bassbereich einen angemessenen Wirkungsgrad zu erzielen, setzte ich bei der `Flamenco` nicht nur auf das Doppelbassprinzip, sondern auch erneut auf ein Bassreflexgehäuse.                                                                                                   

Die beiden W 200 S 8 benötigen in ventilierten Gehäusen normalerweise ein deutlich größeres Volumen, um ultimativen Tiefbass zu erzeugen, müssen aber in diesem "Wohnraum-Projekt" gemeinsam mit 50 Litern zurechtkommen. In Verbindung mit der von Visaton empfohlenen 42-Hz-Abstimmung geht es aber auch in diesem "Minimalvolumen" auf praxisgerechte 50 Hz (-3 dB) hinab, der Kennschalldruck liegt im Mittel bei etwa 91dB. 

Gehäusezeichnung Flamenco

Das quaderförmige Gehäuse besteht aus 6 Brettern, die rechtwinklig miteinander verleimt werden.  Zwei Holzleisten zwischen den Seitenwänden sorgen für mehr Stabilität.

Die Gehäusehöhe von 93 cm habe ich bewusst gewählt, denn auch diese Lautsprecher sollten vom Boden entkoppelt werden. Mit einer entsprechenden Grundplatte und/oder Spikes erreicht das Hochtönerzentrum dann eine Höhe von 87 - 89 cm, was für die meisten Hörsituationen passen sollte.
Für noch höhere Aufstellungen können auch zusätzliche Distanzstücke auf der Grundplatte montiert werden oder man verlängert die Wandflächen entsprechend nach unten, so dass eine zusätzliche Kammer (z.B. zur separaten Unterbringung der Weiche) entsteht.

Bedämpfung

Lediglich Deckel, Boden und Rückwand erhalten je eine Lage 40er-Noppenschaum (hier "t.Akustik HiLo N-40" von Thomann) , der flächig aufgeklebt wird und für eine trockene und präzise Basswiedergabe sorgt. Ein probeweise eingebrachter akustischer Sumpf bewährte sich klanglich nicht.

Bedämpfung Flamenco2

Frequenzweiche

Auch das Filterwerk wollte ich möglichst einfach halten, ist doch hier allein schon konzeptbedingt eher nicht von absoluter Linearität auszugehen. Auf der anderen Seite sollen sich die Töne natürlich nicht völlig unkontrolliert in die Gehörgänge "fräsen", eine gewisse Dämpfung ist also unumgänglich.

Simu Flamenco

Das mit Hilfe der Datenbank erstellte BoxSim-Projekt sah schon recht vielversprechend aus.

Und ja, ich nutzte dieses Mal den glücklichen Umstand der Verwendung von Visaton-Chassis und griff auf die in BoxSim enthaltene Datenbank zurück. Trotz unterschiedlicher Gene zeigte sich dabei, dass sich die beiden Bässe und das Horn bereits mit Filtern zweiter Ordnung recht ansehnlich verbandeln lassen, wobei ich mich beim Kondensator im Hochtonzweig schlussendlich wieder für einen MKP Q6 entschieden habe.

Das HTH 8.7 erhielt noch einen zusätzlichen Saugkreis, der bei etwa 10 KHz wirkt und eine gewisse Rauhigkeit im Klangbild beseitigt. Gleichzeitig passt er zusammen mit dem rechnerisch zu kleinen Kondensator Pegel und Frequenzgang an, so dass der Signalweg von weiteren Bauteilen freigehalten wird. Negative Einflüsse durch eine allzu starke Pegelreduzierung mit größeren Widerständen, Spannungsteilern, Reglern oder (teuren) Autotrafos werden dadurch vermieden.

Weiche+Flamenco

Auch bei diesem Projekt ergeben sich erfreulich niedrige Bauteilewerte, so dass sich die Frequenzweiche mit Standardbauteilen bereits ab etwa 8,50 € realisieren lässt..
Damit liegen die Gesamtkosten für eine Box ab etwa 145 € + Gehäuse - je nach Materialeinsatz und Einkauf.

Eine Meinung aus dem DIY-Hifi-Forum zur Flamenco:

" Ich habe Miwa´s Flamencos recht ausführlich mit verschiedenem Musikmaterial probegehört. Ich bin wahrhaftig kein Hornfan, aber das was ich da gehört habe, hat mich überzeugt : KEIN Hornkrampf sondern sauberer Sound im Hochtonbereich. Saubere Übergabe vom Bass zum Hochton. Die Boxen klingen erfreulich "unauffällig" und laden zum Dauerhören ein."

Messungen

Die Messungen erfolgten aus 1 Meter Entfernung und sind nicht pegelkalibriert.

Gesamtfrequenzgang axial mit Raum ungeglättet

Gesamt_axial_mitRaum_unsmoothed

Gesamtfrequenzgang axial ohne Raum ungeglättet

Gesamt_axial_ohneRaum_unsmoothed

Gesamtfrequenzgang 0° - 45° horizontal ohne Raum ungeglättet

Gesamt_0_15_30_45°_ohneRaum_unsmoothed

Impedanz und elektrische Phase

Impedanz_Flamenco

Sonogramm

Sonogramm, normiert

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